Kuba - Auf den Spuren Che Guevaras

Kuba – Auf den Spuren Che Guevaras

Was haben eine Harley-Davidson und eine Zigarre aus Kuba gemeinsam? Bei beiden handelt es sich um absolut herausragende Produkte! Nun ist unbestritten, dass man beides fast überall in der Welt genießen kann. Es ist aber eine echte Herausforderung, wenn man beide Genüsse auf der größten Karibikinsel gleichzeitig praktizieren möchte. Warum? Weil es zum einen ausreichender fahrerischer Voraussetzungen bedarf, und weil es zum anderen ein starkes Nervenkostüm erfordert. Als Belohnung warten jedoch Erlebnisse der besonderen Art, die mit europäischen Tourenerfahrungen absolut nicht zu vergleichen sind.
Als großer Liebhaber der beiden genannten Luxuserzeugnisse und allen gängigen Vorurteilen zum Trotz wollte ich mir ein persönliches Bild von Land und Leuten machen.

Eben diese besonderen Eindrücke zu sammeln, die es lohnen, für potenzielle Nachahmer beschrieben zu werden. Aus diesem Grund habe ich mich mit Ernesto, dem jüngsten Sohn des kubanischen Volkshelden Che Guevara, in Verbindung gesetzt und einer international zusammengesetzten Gruppe Gleichgesinnter angeschlossen. Ernesto hat die Zeichen des politischen Wandels früh erkannt und sich, als großer Liebhaber der amerikanischen Motorrad-Traditionsmarke, zahlreiche Modelle angeschafft.

Kuba lowres 13Diese tragen nun dazu bei, den Liebhabern aus allen Teilen der Welt die Erfahrungen eines faszinierten Bikers näher zu bringen. Mit einem kleinen Stab von engagierten Mitarbeitern schafft er es, eine professionell funktionierende Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, jedem Biker unvergessliche Erlebnisse zu vermitteln. Zwar kann auch er nicht manch negatives Vorurteil beseitigen, aber: Wenn man europäische Bedingungen erwartet, ist man hier sowieso fehl am Platze. Verkehrssicherheitsrelevante Standards, die bei uns die Regel darstellen, sind in Kuba kaum vorhanden. 

Wenn ja, befolgt sie dort eh keiner. Je weiter man sich von Havanna entfernt, desto problematischer werden die Straßenverhältnisse. Das mag für Autofahrer in gewissem Maße noch zu bewerkstelligen sein, für Harley-Fahrer jedoch kann eine Sekunde Aufmerksamkeitsverlust fatale Folgen haben. Und so ist der Stressfaktor enorm, besonders, wenn man den Fehler begeht, sein Ziel nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Den Luxus von Straßenbeleuchtungen, Straßenmarkierungen, Leitplanken, Reflektoren am Straßenrand, Hinweisschildern auf Schlaglöcher oder fehlende Straßenteile wollte man sich außerhalb Havannas noch nicht leisten. Mit Ausnahme der für Touristen wichtigen Zubringer-Autobahn vom Flughafen zum Ferienzentrum Varadero ist das Austesten der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern ein zumindest riskantes Unternehmen. In jedem Fall verspricht diese Tour spannend zu werden …

Nach einer angenehmen Nacht im berühmten Hotel Nacional De Cuba, einem denkmalgeschützen Prunkbau aus den 1930er-Jahren und Wahrzeichen der Stadt, wurden alle Teilnehmer mit zwei Kleinbussen zu dem etwas außerhalb Havannas gelegenen Motorraddepot chauffiert. Eine wagemutige Truppe von 14 Teilnehmern aus fünf Ländern wurde auf die vorbereiteten Harleys verteilt. Ein großes Angebot an Electra Glides, Road Kings, Street Glides, Sportster und Heritage Softails erwartet uns. Ich entscheide mich für eine Electra Glide, nicht nur wegen des großen Stauraums, sondern weil sich dieses Modell schon auf der Route 66 optimal bewährt hat. Natürlich darf die mitgebrachte Berlin-Flagge nicht fehlen, die, schnell mit einigen Kabelbindern fixiert, nicht nur den Aufmerksamkeitsfaktor erhöht. Es ist schon erstaunlich, wie viele „Freunde“ man damit auf Kuba treffen kann, besonders, wenn es sich um urlaubende Berliner handelt. Eine Einführungsrunde, um sich mit den Bikes vertraut zu machen, führt zu den markantesten Sehenswürdigkeiten Havannas. Über die berühmte zehn Kilometer lange Uferstraße Malecón erreichen wir den historischen Kern La Habana Vieja, in dem wir an einer Stadtbesichtigung mit der reizenden Kubanerin Ina teilnehmen. Sie begleitet uns auf der gesamten Tour und ist als Stadtführerin genial. Nicht nur,dass sie fast zu jedem Haus etwas sagen kann – es gibt keine Frage, die sie nicht ausführlich beantworten kann. Und so geschieht das in jeder Stadt, die wir auf unserer Route besuchen.

Steckbrief

Name: Ernesto Rafael Guevara, genannt „Che“ Guevara
Geboren: am 14. Juni 1928 in Rosario, Argentinien
Gestorben: am 9. Oktober 1967
in La Higuera, Bolivien
Kinder: Aleida Guevara, Hilda Beatríz, Camilo Guevare, Celia Guevara, Ernesto Guevara

Che war ein marxistischer Revolutionär, Guerillaführer, Arzt und Autor. Neben Fidel Castro war er die Symbolfigur der Rebellenarmee in der Kubanischen Revolution. Er trat Castros Revolutionären im Dezember 1956 bei. Diese verfolgten das Ziel, den von den USA unterstützten Diktator Batista zu stürzen. Guevara wurde von Castro als Innenminister und anschließend als Leiter der Zentralbank eingesetzt. Kapitalflucht und Emigration waren die Folgen seiner angestrebten radikalen industriellen Veränderungen. Nach mehreren Differenzen mit Castro trat Che 1964 von allen Ämtern zurück und verließ den Inselstaat. Im Kongo und ab 1966 in Bolivien versuchte er vergeblich, die Revolution nach kubanischem Vorbild voranzutreiben. Seine aus nur 44 Kämpfern bestehende Revolutionsarmee lieferte sich ständige Scharmützel mit der bolivianischen Armee. Am 8. Oktober 1967 wurde er bei La Hugueira von Regierungssoldaten gefangengenommen  und nur einen Tag später ohne Gerichtsverhandlung erschossen.

Das moderne Havanna steht ebenso auf dem Programm wie die Besichtigung des „Platz der Revolution“ und der historischen Ortskommandantur des Che Guevara in der Festung „La Cabana“. Ein gepflegtes Mittagessen in dem sehr zu empfehlenden Restaurant „Starbien“ im Stadtteil Vedado – ein absoluter Geheimtipp! – runden den Tag perfekt ab. Eingedeckt mit einer ausreichenden Menge guter kubanischer Zigarren beginnt der nächste Tag mit einem heftigen karibischen Regenschauer, welcher die Stimmung aber nur kurz eintrübt. So schnell wie er kam, so schnell verschwindet er auch wieder. Voller Erwartungen geht es in Richtung Cienfuegos, eine längere Etappe von rund 380 Kilometern. Vorweg fährt unser Führer und Roadcaptain Luisito, die Nachhut besteht aus dem zweiten Roadcaptain Camillo sowie dem Gepäckwagen, in dem auch Ina und Ernesto Guevara mitfahren. In den folgenden Stunden auf der relativ unbefahrenen Autobahn A1 Richtung Osten kann jeder seine ersten Erfahrungen im Slalomfahren machen.

Harley Tour auf KubaEs gibt relativ wenige Straßenschäden – im Vergleich zu dem, was uns noch erwarten sollte. Dieser Luxus ändert sich schlagartig, als wir bei Jagüey Grande von der Autobahn abfahren und auf der Landstraße 116 über Playa Larga in Richtung Playa Girón fahren. Dieser historische Ort, der als „Schweinebucht“ weltweit bekannt geworden ist, war im Jahr 1961 drei Tage lang Kriegsschauplatz, als rund 1.300 vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützte Exilkubaner dort landeten und von Fidel Castro mit seinen Truppen und der einheimischen Bevölkerung zurückgeschlagen wurden.

Das dort errichtete Museum vermittelt ein eindrucksvolles Zeugnis über die damaligen Ereignisse.Ein kurz geplantes Mittagessen inmitten von Nirgendwo bei „Don Alexis“ erstreckt sich dann über mehrere Stunden. Das ist so zwar nicht geplant, hat aber ursächlich damit zu tun, dass hier zwei kulturelle Welten aufeinander treffen, an die man sich erst gewöhnen muss. Andererseits beeindruckt uns die besondere Herzlichkeit unseres kubanischen Gastgebers, der alles daran setzt, mit Hilfe der gesamten Familie seinen ausländischen Gästen etwas ganz Besonderes zu bieten. Gewöhnungsbedürftig ist die primitive und unter hygienischen Gesichtspunkten grenzwertige Gestaltung einer improvisierten Herberge unterm Palmendach aber doch.

Doch je länger man sich an die Atmosphäre und das Umfeld gewöhnt, desto neugieriger wird man auf das Essen: Frisches Krokodil und Schildkröte stehen auf dem Plan. Und man ist Zeuge der Zubereitung der Speisen – von der Zerlegung bis zur professionellen Zubereitung auf dem Grill. Nach zahlreichen schmackhaften Vorspeisen wird das Hauptgericht vom Wirt mit den üblichen Beilagen wie dunklem Reis mit schwarzen Bohnen theatralisch präsentiert. Jetzt entwickelt sich das kulinarische Abenteuer zu einem köstlichen Genuss. Was aber auch daran liegt, dass kubanischer Rum und Zigarren die allgemeine Stimmung zusätzlich anregen. Für alle Teilnehmer eine gelungene Premiere einer Esskultur, wie sie uns vorher nicht bekannt war. Da noch über 120 km bis zum Etappenziel Trinidad vor uns liegen, kann die Stadtbesichtigung von Cienfuegos, sehr zum Leidwesen von Ina, nicht so ausführlich wie geplant stattfinden.

Es beginnt schon zu dunkeln und vor uns liegen noch etwa 80 Kilometer. Was nun folgt, fordert nicht nur das fahrerische Können aller Teilnehmer heraus, man muss schon starke Nerven besitzen, um die nächsten drei Stunden unbeschadet zu überstehen. Der zunehmend schlechter werdende Zustand der Landstraßen und gleichzeitig einsetzender Regen machen die Fahrt zum Höllenritt – besonders deshalb, weil die auf Kuba weit verbreiteten Pferdekutschen auch in der Nacht bewegt werden. Ohne Licht oder irgendwelche Reflektoren tauchen sie urplötzlich vor einem auf und man kann immer nur hoffen, dass in diesem Moment kein Gegenverkehr und keine Schlaglöcher vorhanden sind. Da es keine Fußwege gibt, nutzen auch die Einwohner die Straße als Gehweg. Das alles bei absoluter Dunkelheit. Und um noch einen draufzusetzen, betätigen die entgegenkommenden PKW jedes Mal das Fernlicht, um die Harley-Kolonne auf kubanisch zu grüßen.

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Das bedeutet: Die Sichtverhältnisse sind für rund drei Sekunden gleich Null. Aber letztendlich kommen alle unversehrt in Trinidad an. Auf das geplante Abendessen hat allerdings niemand mehr Appetit. Umso intensiver wird die Bar frequentiert und der total überforderte Mitarbeiter kann nicht annähernd so schnell die Pina Coladas, Mojitos oder Cuba Libres mixen, wie es jetzt notwendig wäre.

Der nächste Tag beginnt mit einem erholsamen, leicht verkaterten Rundgang in der Kolonialstadt Trinidad, einem UNESCO-Weltkulturerbe und musterhaftem Beispiel spanischer Kolonialarchitektur. Hier kann Ina wieder mit ihrem immensen Fachwissen beeindrucken. Die sehr liebevoll restaurierten Gebäude, Gärten und Parks machen diesen Ort zu einem gefragten Touristenziel. Natürlich treffen wir auch hier zahlreiche Berliner, die beim Anblick der Berlin-Fahne schier aus dem Häuschen geraten. Wie klein ist doch die Welt!

Gegen Mittag brechen wir dann zur Insel Cayo Santa Maria auf. Die Fahrt durch den Nationalpark „Topes de Collantes“ und dann, kurz vor dem Ziel, auf dem spektakulären, rund 30 km langen Fahrdamm, der das Festland mit der Insel verbindet, ist entspannend und angenehm, da er erst vor Kurzem fertiggestellt worden ist und dementsprechend relativ komfortable Straßenverhältnisse bietet. Die frische Seeluft verschafft zudem eine willkommene Abwechslung zu den doch sehr extremen Abgasbelastungen in den Städten. Insgesamt bewältigen wir einen 200-Kilometer-Ritt in ein kubanisches Fünf-Sterne-Refugium, das bevorzugt von Kanadiern besucht wird.

Der benachbarte Flughafen verbindet Kuba mit Kanada in guten drei Flugstunden. Das erfrischende Bad im Atlantik und der anschließende Zigarrengenuss sind der Ausgleich für die Mühen der vergangenen 600 Kilometer und helfen, die verspannten Gliedmaßen zu regenerieren. Nach dem Mittagessen geht es am nächsten Tag über Remedios weiter in Richtung Santa Clara. Neben der Stadtrund- fahrt in der historischen „Villa de Remedios“, ebenfalls ein Paradebeispiel spanischer Kolonialarchitektur, steht die Besichtigung von Monument und Grabmal Ernesto „Che“ Guevaras auf dem Programm. Hier sind in einem Mausoleum die sterblichen Überreste des verehrten Nationalhelden und seiner 39 engsten Mitstreiter beigesetzt. Seinen Bemühungen, die Revolution nach Bolivien zu übertragen, wurde in der inneren Ausgestaltung des Grabraums Rechnung getragen, indem man die Dschungelatmosphäre integrierte.

Das Monument und das benachbarte Museum, mit vielen Originalen und Personalien aus Ches Nachlass, zeugen von dem bewegten Leben eines Mannes, der im Gedächtnis vieler Kubaner immer noch eine herausragende Rolle spielt.Die Fahrt am nächsten Tag führt nach Varadero, einem monströsen Badeort nach westlichem Muster, der nur wenig an die kubanische Lebensart erinnert. Riesige Bettenburgen mit europäischem Fünf-Sterne-Standard sollen den Ort mit derzeit 15.000 Betten zu einem Zentrum des Tourismus in Kuba machen. Schier unglaubliche 30.000 Betten sind das Planziel für die nächsten zwanzig Jahre! Alle Teilnehmer sind sich darin einig, dass der Aufenthalt auf ein Minimum beschränkt werden soll, um stattdessen wieder das authentische Kuba erleben zu können. Dazu gehört auch mein Herzenswunsch:

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Als bekennender Liebhaber kubanischer Zigarren die Tabakkultur des Landes näher kennen zu lernen. Diese findet rund 200 Kilometer westlich von Havanna bei Pinar del Rio statt. Dort befinden sich die fruchtbaren Ackerböden, die der kubanischen Zigarre seit dem 15. Jahrhundert jene Weltgeltung verschafften, die sie verdient hat. Südwestlich davon, bei San Luis befindet sich seit 1845 das Domizil von Don Alejandro Robaina, einem Pionier und Legende des Tabakanbaus.

Das Unternehmen wird aktuell von seinem Enkelsohn Hiroshi erfolgreich in der fünften Generation geleitet, während sein Sohn Carlos das Verkaufsgeschäft in Havanna führt. Das recht bescheidene Haus des Don Alejandro, in dem sein Enkel mitsamt seiner Familie noch heute wohnt, ähnelt einem Wallfahrtsort der besonderen Art. Täglich treffen sich hier Touristen aus der ganzen Welt, um dem Mann zu huldigen, der die Marke Robaina zu einer der besten der Welt gemacht hat. Das Haus ist übervoll mit Bildern aus alten Zeiten, welche Don Alejandro bei der Arbeit zeigen. Ich hatte vor vielen Jahren das große Glück, den im Jahr 2010 verstorbenen Don Alejandro in Berlin persönlich kennenlernen zu dürfen. Die freundliche Bescheidenheit eines großen Tabakpflanzers, der als einziger von Fidel Castro die ausdrückliche Genehmigung hatte, eine eigene Marke zu vertreiben, bleibt unvergessen. Zurück in Havanna treffe ich zufällig einen anderen großen Tabak-Spezialisten, der die Geschichte der Zigarrenkultur besser kennt als jeder Kubaner. Gemeint ist Maximilian Herzog, der „Zigarren-Papst“ aus Berlin, der gerade zum Partagas-Konvent in Havanna weilt.

Dank seiner Empfehlung gelingt es mir, die Zigarrenmanufaktur von Cohiba in Havanna zu besichtigen. Diese Marke gilt als die Beste der Welt und wird schlichtweg als „die Havanna“ identifiziert. In bester Lage residiert die Manufaktur überaus standesgemäß in einem sehenswerten Prunkbau aus alten Zeiten. Ein solches Erlebnis ist natürlich ein ganz besonderes Erlebnis für einen passionierten Zigarrenliebhaber. In einer abschließenden Zusammenfassung entpuppt sich diese Harley-Tour als ein anstrengendes, aber sehr lohnendes Abenteuer. Die Freundlichkeit der Menschen, die vielen lustigen Versuche, um ein Gespräch in Gang zu bringen, lassen einige Unannehmlichkeiten vergessen. Unvergessen auch die ungläubigen und erstaunten Blicke der vornehmend ländlichen Bevölkerung, die vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben eine Harley gesehen haben, als urplötzlich ein Dutzend Motorräder lautstark durch die Ortschaften brausen.

Die „Tour en moto“ lädt zur Nachahmung ein. Was an persönlichen Erfahrungen bleibt, ist nicht nur ein unvergessener Eindruck eines liebenswerten Landes, sondern auch der persönliche Stolz, die abenteuerliche Tour schadlos überstanden zu haben.

Text & Bildnachweis: Copyright Herbert Wildanger / Fotolia

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